Page 27 - Fischen in den Alpen
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Trübe Wolken von Regenwasser strö- men hier in den See und bringen Nah- rung mit. Auf dem kiesigen Abhang vor der Mündung warten auch Barsche und Weißfische darauf. Die Forelle «weiß» das und nutzt die Trübung geschickt als Tarnung. Wie ein silberner Blitz schießt sie den Geschiebekegel hinauf, packt die größte Laube an der Schwanzwurzel und schüttelt den Schädel. Mit gebrochenem Rückgrat taumelt der Beutefisch zu Bo- den. Die Forelle schwimmt einen Bogen und kehrt zum hilflos zuckenden Opfer zurück. Kopf voran schluckt sie die erste Beute seit einer Woche, dann verschwin- det sie wieder in der Weite des Sees.
Perfekt angepasst
Die Seeforelle ist simpel ausgedrückt die seetaugliche Version der Bachfo- relle. Ins Auge fällt der silberne Körper mit dem dunklen Rücken: Er ist die ideale Tarnung im offenen Wasser. Das Nahrungsangebot im See und eine räu- berische Ernährung ermöglichen ihr rasches Wachstum. Die Größe macht den Fisch schneller und eröffnet ihm ein breites Spektrum an Beute. Unter güns-
tigen Umständen wächst eine gesunde Seeforelle zu respektabler Größe. Nicht selten erreichen sie im fünften Lebens- jahr Längen von 70 bis 80 Zentimeter. Die meisten Seeforellen werden nicht älter als sechs bis acht Jahre. Ältere und größere Seeforellen sind selbst in unbe- rührter Wildnis selten, doch es gibt sie. Solche Ausnahmefische können deut- lich über einen Meter lang sein und 20 und mehr Kilogramm wiegen.
Hochzeitsreise im Herbst
Seeforellen laichen nur in Ausnahme- fällen im See. Normalerweise werden sie im Spätsommer unruhig und ma- chen sich auf den Weg zu jenem Bach oder Fluss, wo sie geboren wurden. Manche Seeforellenstämme ziehen bis zu 200 Kilometer weit in die Oberläufe großer Flüsse.
Die Fortpflanzung findet meist von Oktober bis Dezember statt. Ein großes Weibchen produziert bis zu 10 000 Eier. Diese werden in einer Grube abgelegt, die das Weibchen zuvor mit der Schwanzflos- se an einer gleichmäßig strömenden Stel- le über grobem Kies ausgeschlagen hat.
Der befruchtete Laich wird mit Kies zugedeckt und so vor Fressfeinden und zuviel Licht geschützt. Die Brütlinge schlüpfen nach etwa drei Monaten. Bis ihr Dottersack aufgezehrt ist, verbrin- gen sie einige Tage im Kies. Dann wagen sie sich nach draußen und beginnen mit der Jagd auf kleine Wirbellose. In dieser Phase ihres Lebens sind sie angewiesen auf flaches, schwach strömendes Wasser mit genügend Versteckmöglichkeiten.
Wenn sie diese heikle Zeit überstehen, leben die Jungfische für ein, zwei Jahre wie kleine Bachforellen. Mit 10 bis 20 Zenti- meter Länge wandern sie in den See ihrer Eltern zurück. Manche Biologen stellen sich vor, dass sich die Jungfische den Ge- ruch ihrer «Kinderstube» einprägen und ihn als Laichfisch wieder erkennen. Ande- re Forscher argumentieren, es sei der Ge- ruch des ihnen verwandten Nachwuchses, der die erwachsenen Fische leitet.
Durch die vielfältigen Einflüsse des Menschen ist die Seeforelle heute im Al- penraum gefährdet und kann vielerorts nur dank aufwändiger Stützmassnah- men überleben.
Daniel Luther
Ihre Majestät, die Seekönigin fasziniert! Sie gehört trotz des oft enormen Aufwands, sie zu fangen, zu den beliebtesten Fischarten des Alpenraums.
porträt | Seeforelle
Fischen in den Alpen | 27
Foto: Wolfgang Hauer


































































































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